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Eintrag vom 15.10.2019

Wertschätzende Firmenkultur sichert Fachkräfte – Interview mit Prof. Dr. Weisbach

Wer einen guten Arbeitgeber sucht, schaut aufs Geld. Vor allem aber auf die Firmenkultur und das Betriebsklima. Im Interview erklärt uns Kommunikationswissenschaftler Prof. Dr. Christian-Rainer Weisbach, was uns Arbeit und die der Anderen wert sein sollte.

Interview

dmpi: „Nix gschwätzt, isch gnug globt" ist auch in Betrieben ein gängiges Motto. Ist ein Lob vom Chef so wichtig?
Weisbach: Es geht gar nicht um Lob, sondern um Anerkennung. Auch harte Typen hungern letztlich nach Anerkennung, das registrieren viele Chefs bloß nicht. Wertschätzung heißt nicht, dass man immer alles lobt, bewertet oder dass sich alle lieb haben müssen. Von einem Lob kann man sich nichts kaufen. Von Aufrichtigkeit und Verständnis schon eher. Es ist eine Frage der Wahrnehmung: Dass man als Führungskraft den Mitarbeiter wahrnimmt, mit all seinen Bemühungen, gegebenenfalls mit seinen Fehlern. Aber auch seine eigenen Gefühle und diese angemessen ausdrückt. Viele Vorgesetzte sind da regelrecht hilflos – und im Zweifel wird alles mit dem Gehalt abgegolten. Das reicht aber nicht.

Prof. Dr. Weisbach
„Wertschätzung macht ein Unternehmen nicht automatisch gut – aber vermutlich besser!“ – Prof. Dr. Christian-Rainer Weisbach, www.christian-weisbach.de

Misst sich Anerkennung nicht in erster Linie am gerechten Lohn für die eigene Leistung?
Nein. Bezahlung ist natürlich wichtig, aber letztlich kann der Beschäftigte gut mit relativen Schwankungen nach oben oder unten leben. Wenn das Arbeitsklima schlecht ist, kann der Preis schnell zu hoch sein: 1.000 Euro sind eine Menge Geld, aber wie viel Geringschätzung ist man bereit, dafür in Kauf zu nehmen? Im Zweifel sucht er oder sie sich irgendwann einen neuen Arbeitgeber. Derzeit leiden die Betriebe in der Region auch darunter, dass Fachkräfte abwandern. Die hält man doch nicht allein mit einem aufgebesserten Gehalt oder einem Dienstwagen! Als Mitarbeiter will man für ein Unternehmen gewonnen werden, sich auch entwickeln, sonst ist man austauschbar.

Wenn der Chef mit Wertschätzung geizt, muss dann nicht der Mitarbeiter aktiv werden?
Ja. Und derjenige, der sich selbst ernst nimmt, wird sich das auch nicht bieten lassen und Anerkennung einfordern. Der Mitarbeiter, der sich alles gefallen lässt, wird auch am wenigsten ernst genommen. Das gilt übrigens auch umgekehrt für den Vorgesetzten. Die heutige Generation ist hier weniger duldsam und viel selbstbewusster. Hier benötigen gestandene Führungskräfte einen neuen Blick und natürlich auch ein respektvolles Verhalten.

Gegenseitiger Respekt macht vieles leichter. Aber steigert es auch die Produktivität?
Zwangsläufig, ja. Fühlt sich der Mitarbeiter gering geschätzt oder wie ein Befehlsempfänger, leidet auch die Loyalität. Man macht nicht mehr als nötig, manchmal noch weniger. Das müssen Führungskräfte auch lernen: Der Mitarbeiter sitzt letztlich am längeren Hebel und im schlimmsten Fall rächt er sich dadurch, dass er die Aufgaben aussitzt oder sich gezielt krank meldet.

Kann man mit wertschätzenden Strategien auch manipulieren, sprich Probleme „wegbiegen"?
Das geht nur einmal gut. Wenn jemand mitbekommt, dass er hintergangen wurde, weil man ihn durch Kommunikationstricks ruhig gestellt hat, hat der andere sein Vertrauen für alle Zeiten verspielt. Selbst wenn die Absichten gut waren. Wertschätzung kann man nicht heucheln, man merkt relativ schnell, ob sie ernst gemeint ist oder nicht.

Wird der Joballtag mittlerweile nicht zu sehr psychologisiert?
Wie man Menschen führt, ist die eigentliche Herausforderung für jede Führungskraft – im kleinen Handwerksbetrieb wie im Großkonzern. Nur lernen das leider die wenigsten. In der Regel wird man in einem mittelständischen Unternehmen Vorgesetzter, weil man fachlich qualifiziert ist. Wird man befördert soll man dann plötzlich zehn, zwanzig Mitarbeiter führen. Vielleicht gibt's noch drei Tage Führungstraining und soll es dann können. Eine Haltung erlernt man aber nicht in ein paar Tagen, sie muss sich entwickeln. Und sie entwickelt sich vor allem im konstruktiven Gespräch. Da haben viele Führungskräfte hierzulande leider ein enormes Defizit.

Als Kommunikations- und Konfliktprofi sind Sie tagtäglich mit den Irrungen und Wirrungen von Sprache jeglicher Art und deren Interpretation konfrontiert. Wie genau gehen Sie damit um - und was empfehlen Sie anderen, die lernen möchten, zukünftig noch besser damit umgehen zu können?
In der Regel findet Führung in einer realen, persönlichen Begegnung statt und hat gerade dadurch den Vorteil, sein Gegenüber ganzheitlich wahrzunehmen. Die enorme Ausweitung der Email-Kommunikation hat zu einer Überbetonung des Wortes geführt. Mag die Schriftsprache geeignet sein, Sachverhalte präzise zu beschreiben, so ist es für die meisten Menschen völlig ungewohnt, die eigenen Emotionen in Worten mitzuteilen. Hier gibt uns das Telefonat viel mehr Information, transportiert doch die Stimme, wie etwas gemeint sein soll.

Ihr Name und Ihr Buch „Professionelle Gesprächsführung" tauchen immer wieder zusammen auf, was ist das Besondere an diesem Buch?
Dieses Buch entpuppt sich als Longseller. Seit über zwanzig Jahren – inzwischen in der 9. erweiterten und überarbeiteten Auflage – umfasst es mittlerweile 485 Seiten mit 21. Kapiteln. Aus der Praxis für die Praxis: Die „Professionelle Gesprächsführung" will Basiswissen vermitteln, durchaus mit professionellem und fachlich fundiertem Hintergrund und einer Fülle von Praxiserfahrungen. Gesprächsausschnitte und Übungen lassen den Leser hautnah den Unterschied zwischen gelingender und misslingender Gesprächsführung erleben. Das Buch vermittelt eine partnerschaftliche und höchst effektive Methode, sich angemessen durchzusetzen, dabei absolut fair zu bleiben und die Vorstellungen des Gesprächspartners wertschätzend zum gemeinsamen Erfolg einzusetzen.

Zum Schluss noch eine persönliche Frage: Was hat Sie zu diesem Thema gebracht? Und was reizt Sie nach so vielen Jahren immer noch an diesem Thema?
Es war die ernüchternde Erkenntnis am Ende meines Studiums, dass ich ganz viel weiß, aber kaum etwas davon umsetzen konnte und die bittere Rückmeldung, dass ich nicht zuhören könne. Es hat mich enorm entlastet zu entdecken, dass ich das lernen konnte. Mittlerweile beflügelt es mich, andere bei diesem Lernprozess zu begleiten und zu erleben, dass sie erfolgreicher werden.

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